Wir bieten Vielfalt einen Ort.

Chronik der Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf 1896-1945

1896

Mit der Petition des "Comité für die Errichtung einer öffentlichen Lesehalle in Charlottenburg" an den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung vom 28. September 1896 beginnt der Aufbau des öffentlichen Bibliothekswesens in Charlottenburg. In der damaligen Orangenstraße (heute Nithackstraße) wird eine Volksbücherei eröffnet.

1897

Die erste große Stiftung von privater Seite für eine öffentliche Bibliothek wird vom Verleger und Kunsthändler Emil Werckmeister in Westend in Höhe von 22.000 Mark zur Anschaffung von Büchern zur Verfügung gestellt. Es können ca. 6.000 Bücher erworben werden. Die Stadt Charlottenburg steuert 15.000 Mark für den Bestandsaufbau bei. Bibliothekar Dr. Ernst Jeep der Königlichen Bibliothek zu Berlin wird mit der Buchauswahl beauftragt.

1898

Am 3. Januar wird die "Städtische Volksbibliothek und Lesehalle der Stadt Charlottenburg" im alten Schulhaus, Kirchstraße 4-5 (heute Gierkezeile) eröffnet. Der Bestand besteht aus ca. 8.000 Büchern; 1.000 Bände werden von der Volksbücherei in der Orangenstraße übernommen. Die Lesehalle ist mit einer Handbibliothek, Nachschlagewerken, Zeitschriften und Karten ausgestattet und bietet Raum für etwa 50 Sitzplätze. Hier können die Bibliotheksbesucher*innen vor Ort lesen, was in älteren Büchereien nicht möglich war. Bereits im Januar 1898 zeigt sich das dringende Bedürfnis der Bevölkerung, die Volksbibliothek zu nutzen: es werden fast 4.000 Bände ausgeliehen und ca. 2.400 Besucher der Lesehalle gezählt. Im gesamten Jahr 1898 zählt die Bibliothek an die 20.000 Besucher*innen bzw. ca. 47.000 Entleihungen.

1899

Die Bibliotheksleitung kann den Magistrat durch die ausgeprägte Bevölkerungsresonanz von der Notwendigkeit eines Neubaus überzeugen, der 1901 fertig gestellt wird.

1900

Die Charlottenburger Bibliothek erlebt unter der Leitung von Dr. Gottlieb Fitz (1873-1934) einen großen Aufschwung: der Bestand wächst auf das Zehn-, die Ausleihe auf das Sechsfache an.

1901

Im neuerbauten Haus der Kunstgewerbeschule in der Wilmersdorfer Straße 166-167 (heute Eosanderstraße 1) wird am 9. September die modernste Bücher- und Lesehalle jener Zeit eröffnet. In einem dreistöckigen großen Lesesaal werden auf 284qm rund 3.000 Bände in Freihandaufstellung angeboten. Bis in die zwanziger Jahre hinein bleibt die Charlottenburger Lesehalle ein Musterbeispiel der Bücherhallenbewegung in Deutschland, da sie sich als erste öffentliche Bibliothek an dem Vorbild der Public Library orientiert und daran anknüpft. Der Leiter der Bibliothek G. Fritz ruft Leseabende namhafter Autoren ins Leben und wird damit zum Begründer dieses Teils der Öffentlichkeitsarbeit, der in der Folgezeit von vielen Bibliotheken gepflegt wird.

1902

Monatlich wechselnde Serien von künstlerisch wertvollen Wandbildern, Fotografien klassischer Skulpturen u.ä. werden im Lesesaal ausgestellt. Historiker und Ehrenbürger der Stadt Charlottenburg, Theodor Mommsen, stiftet 1.000 Mark seines Nobelpreises für Literatur zur Ergänzung des Charlottenburger Bibliotheksbestandes.

1904

Am 8. August wird die erste Zweigstelle der Stadtbibliothek Charlottenburg in der Wormser Str. 6a, Ecke Bayreuther Straße (heute Bezirk Schöneberg), eröffnet. Erstmals beginnt hiermit eine neue Organisationsform des städtischen Bibliothekswesens in Deutschland mit einer zentralen Hauptbibliothek und ihr angegliederten Zweigstellen.

1908

In der Danckelmannstraße 48/49 wird die weitere Zweigstelle "West" eröffnet. Die Hauptbücherei und Zweigstellen "Ost" und "West" sind Montag - Samstag von 12:00 - 21:00 Uhr, die Lesesäle zum Teil abends noch eine Stunde länger geöffnet.

1912

Zwei weitere Zweigstellen, "Süd" und "Nord", werden am 1. Oktober eröffnet. Die Zweigstelle "Süd" liegt am Savignyplatz und ist reine Bücherausgabestelle. Am selben Tag wird die räumlich mit ihr verbundene Bibliothek der "Musikalischen Volksbücherei" und des "Berliner Tonkünstlervereins" gegründet, aus welcher später die heute noch bestehende Musikbibliothek des Bezirks entsteht. Die Zweigstelle "Nord" liegt in der Kaiserin-Augusta-Allee 80 (später Wernigeroder Straße) und verfügt über ein Lesezimmer.

1923

Die Stadtbibliothek Charlottenburg feiert 25jähriges Jubiläum.

1926

Marie Nörenberg (1872 - 1962) übernimmt am 11. Oktober als erste Frau die Leitung der Stadtbücherei Charlottenburg. "Am 31. März 1933 schied sie nach eigenen Angaben aus dem Dienst aus, weil sie 'Hitler nicht den Diensteid leisten wollte' und weil sie nicht bereit war, die politische Gesinnung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überprüfen". (Zitiert nach Dagmar Jank; Literatur: Dagmar Jank: "Die ersten Bibliothekarinnen in leitenden Positionen" in : Leidenschaft und Bildung. Zur Geschichte der Frauenarbeit in Bibliotheken, Berlin 1992)

1927

Im November richtet Marie Nörenberg in der Hauptbibliothek das erste öffentliche "Blindenlesezimmer" ein, wo Sehbehinderten Bücher vorgelesen werden.

1928

Im April wird in der Brauhofstr. 14 die erste Freihandbibliothek für Kinder in Preußen eröffnet.

1929

Im Juli wird eine "Jugendwanderbücherei für die Außenspielplätze in Charlottenburg" gegründet. Die Eröffnung der vierten Zweigstelle "Neuwestend" im Gebäude des Oberlyzeums in der Westendallee 4 findet am 9. August statt. Ihr ist eine Jugendabteilung mit Freihandaufstellung angegliedert, außerdem bietet die Zweigstelle Bücher zur Unterstützung des Unterrichts an Schulen an, die Lehrer*innen und Bibliothekar*innen gemeinsam ausgewählt haben. Diese werden in so hoher Anzahl angeschafft, dass möglichst ganze Schulklassen versorgt werden können.

1937

Die Förderung der Charlottenburger Musikbücherei, aufgebaut durch private Vereine seit 1912, wird vom Magistrat von Berlin übernommen. Die Eröffnung der städtischen "Musikbücherei" als eine Zweigstelle der Stadtbücherei Charlottenburg erfolgt am 29. Juni im neuen "Haus der Musik" in der Leibnizstr. 105.

1939

Die Zweigstelle "Ost" aus der Wormser Str. 6a zieht in den Schulgebäudekomplex in der Sybelstr. 2 - 4 um und wird wahrscheinlich zeitgleich mit der Bücherausgabestelle vom Savignyplatz zusammengelegt. Die Zweigstelle in der Sybelstraße wird nun "Süd" genannt.

1943

Durch einen nächtlichen Fliegerangriff werden die Hauptstelle der Stadtbücherei Charlottenburg und die Musikbücherei in der Leibnizstraße durch Bomben zerstört. Die Hauptstelle wird fast völlig zerstört, die Musikbücherei brennt vollständig aus.

1944

Die Wiedereröffnung der "Städtischen Volksbücherei, Hauptstelle" erfolgt am 17. Dezember. Vorläufig liegt sie in der Zweigstelle "Süd" in der Sybelstr. 2-4.

1945

Zwei Drittel des Bestandes sind durch den Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Am 15. Dezember wird die Musikbücherei mit einem Konzert feierlich wiedereröffnet. Zusammen mit der Musikschule des Bezirks liegt sie in der Platanenallee 16 in einer alten Stadtvilla.