Gerade im 2. Ausbildungsjahr angekommen, so war ich aus der Bibliothekswelt schon wieder verschwunden und tauchte in eine ganz andere (und doch ähnliche) Welt ein:
Die Welt des Archivs – durch mein Praktikum im Literaturarchiv der Akademie der Künste.
Erste Berührungspunkte mit dieser Einrichtung hatte ich tatsächlich indirekt schon vorher in der Familie. Mein Urgroßvater, der Schriftsteller Willi Bredel, nämlich war von 1962 – 1964 Präsident der Akademie der Künste und es befindet sich auch sein Nachlass dort.
Es gab also schon einmal eine Verbindung mit der Akademie der Künste. Dazu kommt, dass ich unbedingt eines meiner Praktika in einem Archiv absolvieren wollte, weil mich die Unterschiede und Arbeiten, die in der Berufsschule nur angerissen wurden, zu dieser Art von Einrichtung sehr interessierten. Somit hatte ich meinen idealen Praktikumsplatz gefunden!
Mein Praktikumsbetrieb:
Die Akademie der Künste ist mit mehreren Standorten über Berlin verteilt. Ich war am Robert-Koch-Platz, eines der wenigen als Archiv konzipierten Gebäude der DDR. Die Akademie der Künste gibt es schon seit dem 17. Jahrhundert. Damals noch eine tatsächliche Schule für Kunstschüler (damals ausschließlich Männer) ist sie jetzt eine Einrichtung, deren Aufgabe es ist, die Kunst zu fördern und in der Gesellschaft zu vertreten. Da Kunst viel mehr als nur geschriebenes Wort und die Akademie auch schon etwas älter ist, ist ihr Archiv sehr umfassend und eindrucksvoll.
Im Literaturarchiv gibt es meist (Vor-) und Nachlässe von Persönlichkeiten, die in einem Zusammenhang mit der Akademie der Künste standen, wie z.B. mein Urgroßvater. Nachlässe beinhalten das – im Literaturarchiv meist – schriftliche Erbe einer Person. Das können Tagebücher, Manuskripte, Briefe und vieles mehr sein.
Aufgabe des Archives ist es, diese Dokumente zu sichten und für die Öffentlichkeit auffindbar zu machen, meist zu Forschungszwecken.
Genau das war auch meine Tätigkeit:
Den Nachlass, den ich in meinen acht Wochen dort bearbeitete, ist der von Beatrice Zweig (1892 – 1971), Künstlerin und Frau von Arnold Zweig. Beide waren Juden und mussten deswegen ins Exil flüchten, um dem Nationalsozialismus zu entkommen. Zurück in der DDR war Arnold Zweig eine sehr berühmte und geschätzte Persönlichkeit.
Der Nachlass von Beatrice Zweig enthielt viele Briefwechsel mit Freunden und Familie, aber auch mit Kurator*innen und Verleger*innen, was ich sehr spannend fand. Dazu kamen Taschenkalender, persönliche Dokumente und Fotos. Die ersten fünf Wochen beschäftigte ich mich damit, alle Briefe chronologisch und thematisch zu sortieren und dies dann in der Datenbank der Akademie der Künste, die auch für Außenstehende einsehbar ist, zu beschreiben. Das variierte von einzelnen Briefen, die extra erfasst wurden, zu Konvoluten mit über 100 Briefen. Die nächsten drei Wochen verzeichnete ich die weiteren Archivalien des Nachlasses und gewann so einen Einblick in die vielfältigen Arten von Dokumenten, auf die man in einem Archiv treffen kann.
Das alles kann eine sehr monotone Arbeit sein (wogegen ich erstmal nichts habe), man gewinnt aber gleichzeitig einen großen und sehr persönlichen Einblick in die Zeit und das Leben der Person!
Auch hatte ich die Gelegenheit einige anderen Bereiche der Akademie der Künste, wie die Bestandserhaltung, Digitalisierung, Benutzung sowie Museum und Ausstellungen der Akademie kennenzulernen. Ebenfalls besuchte ich die Abteilung der bildenden Kunst und hatte dort Gelegenheit mir Bilder/Gemälde von Beatrice Zweig anzuschauen. Im Außenmagazin konnte ich mir außerdem den Nachlass meines Urgroßvaters anschauen und z. B. Postkarten, die mein Großvater als kleines Kind an seinen Vater geschrieben hat, in den Händen halten.
Mein Fazit:
Das alles hat mir sehr viel Spaß gemacht und mein persönliches Highlight war es, die Bearbeitung des Bestandes von Beatrice Zweig innerhalb der acht Wochen vollständig abschließen zu können. Ich konnte dadurch fast von Anfang bis Ende die Bearbeitung eines Nachlasses beobachten und mir so einen sehr guten Eindruck über die Arbeit in einem Archiv verschaffen.
Wenn einem überwiegend das Arbeiten alleine liegt, kann ich ein Praktikum im Archiv nur empfehlen, da man wirklich sehr viel mitnehmen kann – nicht nur über die Arbeit des Archivs, sondern auch über die Geschichte mit der man sich beschäftigt!