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Rezension zu „Ein perfider Plan: Hawthorne ermittelt“ von Anthony Horowitz – Krimi

Spannender, unterhaltsamer, britischer Krimi in innovativer Sherlock-Holmes-Manier

Diana Cowper, eine wohlhabende Frau in den Sechzigern, arrangiert mit einem Bestattungsunternehmen ihre eigene Beerdigung. Am selben Tag noch wird die freundliche Frau, die anscheinend keine Feinde hatte, in ihrem Haus mit einer Vorhangkordel erdrosselt. Ahnte sie etwas von ihrem baldigen Tod? Kannte sie ihren Mörder?

Die Londoner Metropolitan Police steht vor einem Rätsel und ‚engagiert‘ den genialen, aus unrühmlichem Grund gefeuerten Detective Inspector Daniel Hawthorne, der sein Geld als Privatdetektiv und Berater für Fernsehkrimis verdient. Bei Dreharbeiten hat Hawthorne den erfolgreichen Autor und Liebhaber der Sherlock-Holmes-Erzählungen Anthony Horowitz kennengelernt. Der geldklamme Hawthorne („Es werden zu wenig Leute ermordet“) bittet Horowitz, über die Mordermittlungen im Fall Diana Cowper ein Buch zu schreiben; Erlös fifty/fifty.

In Anlehnung an die klassische Figur des Sherlock Holmes ermittelt Hawthorne an unterschiedlichen Orten in London und in Kent auf der Suche nach dem Mörder der verwitweten, einsamen Diana Cowper. Horowitz begleitet ihn, aber Hawthorne stellt von Beginn an klar, dass er der Detektiv ist und Horowitz die Geschichte lediglich aufschreibt – ähnlich dem Holmes-Biografen Dr. Watson.

Der Sohn des Mordopfers Damian Cowper kommt zur Beerdigung seiner Mutter angereist. Er ist Schauspieler und mittlerweile ein – aufgrund seines ausschweifenden Lebens und seiner Kokainsucht verschuldeter – Hollywood-Star. Begleitet wird Damian von seiner Frau, der wunderschönen Schauspielerin Grace Lovell und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter. Damian spielt intaktes Familienleben.

Am Tag der Beerdigung seiner Mutter geschieht ein weiterer blutiger Mord.

Ein dunkles Geheimnis im Leben der Diana Cowper und eine böse Intrige in der Vergangenheit ihres Sohns Damian auf der Londoner Schauspielschule – von Hawthorne in akribischen Ermittlungen aufgedeckt – bilden die Handlungsstränge in dem verwickelten Mordfall.

Horowitz erzählt die Detektivgeschichte in der Ich-Form, wobei er sich zunächst absprachegemäß an die Fakten des Mordfalles hält. Eine originelle, weitere Ebene ergibt sich dadurch, dass er nicht allein als Ich-Erzähler – ähnlich dem Dr. Watson – die fiktive Krimi-Geschichte begleitet, sondern sich selbst als realen Autoren Anthony Horowitz in die Geschichte einbaut. Er streut Ereignisse aus seiner Schriftstellertätigkeit ein, erwähnt seine Spionage-Jugendbücher (Alex Rider), seine Drehbücher (u.a. Inspector Barnaby), die Sherlock-Holmes- und James-Bond-Romane (u.a. Das Geheimnis des weißen Bandes und Trigger Mortis), er lässt reale britische Verlage, Lektoren und sogar seine Ehefrau und seine Agentin auftreten. Um noch eins draufzusetzen, trifft sich Horowitz mit den Regisseuren Steven Spielberg und Peter Jackson, die ein Drehbuch von ihm prüfen sollen. Der hereinbrechende Hawthorne stört das Treffen, sodass sich in dieser äußerst komischen Szene Fakt und Fiktion vermischen – ein schriftstellerischer Kniff, den der Autor bis zum schlussendlichen Geschehen beibehält.

Anthony Horowitz lässt die Lesenden auf unterhaltsame Weise an seinen widersprüchlichen Gefühlen gegenüber dem genialen, schwierigen, zugeknöpften, jähzornigen Detektiv teilhaben. Hawthorne raucht, flucht, verfolgt rücksichtslos seine Ziele, bringt seinen Begleiter mit seiner schroffen Art in unangenehme und peinliche Situationen, lässt sich aber gern sein Essen bezahlen. Horowitz spürt Unmut, sogar Abneigung und bewundert zugleich den Meisterdetektiv, der aus unscheinbaren Details wichtige Informationen zieht, ärgert sich wiederum darüber, dass Hawthorne seine Erkenntnisse für sich behält, ihm immer voraus ist und ihn seine Überlegenheit spüren lässt.

Damit nicht genug. Hawthorne stellt sich bei der Befragung eines homosexuellen Zeugen als bekennender Schwulenhasser heraus und stürzt Horowitz in einen Zwiespalt zwischen der Aufrichtigkeit eines True-Crime-Autors und der Furcht vor einem Shitstorm vonseiten seiner Fans. Darf er als bekannter Schriftsteller einen in seiner Direktheit und Unhöflichkeit wenig ‚britisch‘ wirkenden Detektiv auftreten lassen? Der ihm zudem noch den altmodischen Titel ‚Hawthorne ermittelt‘ diktiert hat? Horowitz versucht, Political Correctness zu wahren, soweit möglich, und sein Ansehen als Autor dadurch zu retten, dass er die finsteren, verstörenden Seiten des Detektivs zwar darstellt, sie jedoch mit kritischer Distanz in Frage stellt. Seine Neugier als Schriftsteller treibt Horowitz jedoch immer wieder an, mehr über die Gedanken und das Privatleben des Meisterdetektivs herauszufinden, der zwar in fremde Häuser und Geheimnisse eindringt, aber nicht hinter die eigene Fassade blicken lässt. Und so entstehen schließlich sogar gegenseitiger Respekt und Sympathie füreinander.

Doch ehe es so weit ist, hadert Horowitz mit seiner Rolle als Chronist und Nebenfigur im eigenen Buch. Er stellt eigene Überlegungen zum möglichen Mörder an, beginnt selbst zu ermitteln, schwingt sich zum Herrn der Geschichte auf. Das Ergebnis: Neues Unheil in einem äußerst packenden und überraschenden Finale.

Resumée

Anthony Horowitz, der zu den bekannten, angesehenen Schriftstellern und Drehbuchautoren Großbritanniens zählt, hat mit „Ein perfider Plan“ einen raffiniert gebauten, spannenden und zugleich höchst originellen Kriminalroman über Schuld und Rache geschrieben. Angelehnt an den klassischen „Whodunit“ überträgt er die Handlung überzeugend und sehr unterhaltsam in das London von heute und stellt mit Hawthorne und Horowitz zwei vielschichtige Charaktere vor – eine eigenständige, ideenreiche Abwandlung des berühmten Detektiv-Teams von Sir Conan Doyle. Ein Buch, das zu lesen viel Spaß macht – und wohl auch dem Autor beim Schreiben.

Susanne Rüster, Mitglied des Freundeskreis der Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf

Informationen zum Buch

Titel: Ein perfider Plan – Hawthorne ermittelt
Autor*in: Anthony Horowitz
Verlag: Insel Verlag
ISBN: 978-3-458-36492-4

Signatur Buch: Aktuelle Romane bzw. Spannung Roman Horo
(Vorhanden in der Adolf-Reichwein-Bibliothek, Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek, Heinrich-Schulz-Bibliothek und Ingeborg-Bachmann-Bibliothek.)

Signatur Hörbuch: Hörbuch Horo
(Vorhanden in der Adolf-Reichwein-Bibliothek, Dietrich-Bonhoeffer-Bibliothek, Heinrich-Schulz-Bibliothek, Ingeborg-Bachmann-Bibliothek und Johanna-Moosdorf-Bibliothek.)

Die Verfügbarkeit können Sie auf www.voebb.de prüfen.